Interview mit Daniel Wernicke von Nyala Digital Asset: „Wir wollen in der ganzen EU aktiv sein und so die Kapitalmarktunion mit vorantreiben“

private banking magazin: Herr Wernicke, Ihre Plattform ersetzt laut eigener Aussage Banken und Intermediäre. Wo ziehen Sie heute noch Grenzen – etwa bei Due-Diligence-Services oder Market-Making – und wer erbringt diese Leistungen stattdessen?
Wernicke: Das Book Buliding erbringt unser Partnernetzwerk aus digitalen Vertriebskanälen. Das sind heute primär Crowdinvestment-Plattformen, wir ergänzen dieses aber nun Schritt für Schritt um alle “Self-Service”-Kanäle für die informierten Selbstentscheider unter den Anlegern, beispielsweise Neobrokern. Im Bereich der Professionellen Investoren bilden sich ebenfalls digitale Service Portale aus, um zum Beispiel Club Deals zu organisieren. Diese bieten dann einen deutlich breiteren Service auch im Bereich Due-Diligence-Service.
Sie nennen Gesamtgebühren von rund einem Prozent des Emissionsvolumens. Wie setzt sich dieser Prozentpunkt genau zusammen – und welche Fix- beziehungsweise variablen Kosten trägt der Kunde?
Wernicke: Der Großteil der Kosten für Emittenten ist variabel und basiert auf dem emittierten Volumen. Für dieses fällt eine jährliche Registergebühr (Digital Asset Fee) an. Zusätzlich nehmen wir eine fixe Setup- oder Onboarding-Gebühr. Bei langfristiger Integration die angesprochenen Vertriebskanäle nehmen wir außerdem eine monatliche SaaS Gebühr, also eine Gebühr für die Nutzung Cloud-basierter Anwendungen.
Über welche Partnerkanäle – Neobroker, Crypto-Exchanges, Embedded-Finance-APIs – erreichen Sie Privatanleger beziehungsweise professionelle Investoren, und welcher Kanal liefert derzeit das meiste Kapital?
Wernicke: Aktuell sind die Crowdinvestment-Plattformen bei den Privatanlegern führend. In diesem Bereich sind wir gestartet und beziehen von dort sowohl die Assets (Emittenten) als auch die Anleger, nämlich die dort registrierte Crowd. Der erste Schritt für den sogenannte DPO ist es, diese Plattformen zu einem gesamthaften Netzwerk, europaweit zu verbinden. Professionelle Investoren erreichen wir über digitale Club-Deal-Plattformen, beispielsweise im Real Estate Bereich. Dort werden Investoren zusammengebracht und auch mit Due-Diligence-Unterlagen, Reportings und weiterem versorgt.
Tokenisierte Wertpapiere sind handelbar, aber häufig illiquide. Welche Sekundärmarkt-Lösungen oder dezentrale Marktplätze (OTC-Pools) planen Sie, um Investoren ein echtes Ausstiegszenario zu bieten?
Wernicke: Wir sind mit verschiedenen Handelsplätzen im Gespräch, um die Wertpapiere dort zu listen. Da sind sowohl neue Akteure, die sich auf elektronische Wertpapiere fokussieren, als auch traditionelle MTFs, die ihr Angebotsspektrum erweitern möchten. Spannend ist hier vor allem der unmittelbar europaweite Ansatz, da keine lokalen Verwahrstrukturen erforderlich sind.
Welche Blockchains nutzen Sie für die Abwicklung – Public, Permissioned oder Hybrid – und adressieren Sie Risiken wie Smart-Contract-Exploits oder Key-Management-Fehler?
Wernicke: Wir nutzen public permissionless blockchains, konkret Polygon POS und Stellar. Eingesetzte Smart Contracts – also selbstausführende Computerprogramme, die vertragliche Vereinbarungen zwischen Parteien festlegen und automatisch ausführen, sobald bestimmte Bedingungen erfüllt sind – werden regelmäßig extern auditiert und sind open source – haben also einen frei zugänglich Quellcode und sind damit sehr gut peer reviewed – also von unabhängigen Experten begutachtet.
Das Key Management der Smart Contracts liegt bei der Registerführerin, die private keys der Anleger-Wallets werden hingegen von beaufsichtigten Kryptoverwahrern gesichert, die sich nur darauf spezialisiert haben und die entsprechende Infrastruktur mitbringen.
Nyala wirbt aktuell in einem sogenannten Digital Public Offering (DPO) um Investoren, die elektronische Aktien der Gesellschaft digital zeichnen. Über dieses Model soll auch anderen mittelständischen Unternehmen bei der Finanzierung geholfen und so dazu beigetragen werden, die Finanzierungslücke in der EU zu schließen. Welche Mica- oder Wertpapierprospekt-Pflichten greifen bei einem DPO, der digitalen Alternative zum traditionellen Börsengang – und wie stellen Sie sicher, dass Emittenten sie vollständig erfüllen?
Daniel Wernicke: Es gelten die Gleichen Prospektrechtlichen Anforderungen, wie bei jeder Wertpapieremission. Unter 8 Millionen Euro kann auf ein Wertpapier-Informationsblatt (WIB) zurückgegriffen werden, darüber ist ein Prospekt notwendig. Die Verantwortung trägt der Emittent, wir arbeiten mit Kanzleien, die wir empfehlen können. Die Mica ist nicht anwendbar, da sie für Wertpapiere (Mifid) explizit nicht gilt.
Sie sprechen von Investoren in sechs EU-Ländern. Welche Jurisdiktionen sind als nächste Zielmärkte gesetzt, und welche regulatorischen Hürden sehen Sie dort?
Wernicke: Wir wollen in der gesamten EU aktiv sein und so die Kapitalmarktunion mit vorantreiben. Die regulatorischen Hürden der EU sind immer noch vorhanden, beispielsweise im Bereich KYC-Anforderungen, zumindest bis zur AML-Verordnung 2026. Aber man muss auch anerkennen, dass die elektronischen Wertpapiere und deren Handel von Beginn an europäisch gedacht wurden.
Kann Ihre Infrastruktur auch für Projekt- oder Real-Estate-Finanzierungen genutzt werden – etwa tokenisierte ABS-Strukturen für erneuerbare Energien?
Wernicke: Ja, das ist auch schon passiert. Neben Infrastrukturprojekten begleiten wir auch klassische Real Estate Projekte.
In der Präsentation nennen Sie künftige Erlöse aus „Trading und Listing“. Können Sie quantifizieren, welchen Anteil am Gesamtumsatz diese Post-Emission-Services 2027 leisten sollen?
Wernicke: Nein, da es noch keine Vergleichswerte aus dem Handel elektronischer Wertpapiere gibt, müssten wir hier spekulieren. Es wird aber ein Bereich sein, der kontinuierlich wächst, wenn weitere Emissionen und damit Volumen dazukommt.
Wie tief integrieren Sie KYC-/AML-Checks in den Subscription-Flow – den Prozess oder die Abfolge von Schritten, die ein Kunde durchläuft, um ein Abonnement zu erstellen, zu verwalten oder zu kündigen – und wer trägt im Ernstfall die Haftung, falls ein reguliertes Land einen Investor nachträglich beanstandet?
Wernicke: Alle Anleger müssen einwandfrei KYC-ed sein, sonst können wir sie nicht in das Register aufnehmen, ihnen also keine elektronischen Wertpapiere zuschreiben. Das ist bei uns schon auf Systemebene integriert: wenn ein Anleger nicht explizit freigeschaltet wurde (“white-gelisted”), dann ist es technisch nicht möglich ihm ein Wertpapier zuzuordnen. Das Know Your Customer (KYC) führen in der Regel die angebundenen Vertriebskanäle durch.
Sie beziehen sich auf einen jährlichen EU-Finanzierungsbedarf von 800 Milliarden Euro. Welchen Marktanteil kann ein DPO-Modell realistisch in fünf Jahren erobern – und warum?
Wernicke: Wenn die EU es schafft, eine EU-einheitliche Gesellschaftsform für junge, stark wachsende Unternehmen zu schaffen –Stichwort “EU.inc” – und diese tokensierbar ist, dann können wir innerhalb von fünf Jahren die Hälfte des Volumens von 800 Milliarden Euro bedienen, wenn man die aktuellen Wachstumsraten zugrunde legt.
Sie haben bisher 4,5 Millionen Euro investiert und peilen eine Bewertung von 33 Millionen Euro an. Streben Sie langfristig einen IPO, einen Trade Sale an eine Börsenbetreiber-Gruppe oder einen „Network Utility Token“-Ansatz an?
Wernicke: Wir gehen mit dem eigenen DPO ja bereits den ersten Schritt im Sinne eines IPOs. Diese Aktien werden zukünftig handelbar werden auf den oben genannten Handelsplätzen. Damit ist eine Exit-Option für die aktuellen Anleger vorgezeichnet. Denkbar ist auch ein vollständiger Verkauf an einen etablierten Player. Einen Network-Utility-Token-Ansatz sehen wir aktuell nicht, da wir uns im Segment der eWpG Wertpapiere befinden und auch wohlfühlen.
Über den Interviewten:
Daniel Wernicke ist Co-Vorstand der Nyala Digital Asset. Das Unternehmen will mit seiner Plattform Investoren und Unternehmen einen einfacheren Zugang zur Anlageklasse digitaler Vermögenswerte verschaffen. Wernicke verantwortet dabei insbesondere die Ausrichtung der Strategie bezüglich rechtlicher und regulatorischer Anforderungen.
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